Über ein Jahr Pandemie. Mir fehlt die Normalität und ich sitze daheim, treffe keine Freunde, gehe nicht ins Kaffeehaus, starre stundenlang auf mein Handydisplay und lass die Zeit vorbeiziehen.
Verdammt, mir fehlt das Zusammensitzen Freitag Abend beim Lieblingswirten in der Prein so sehr, als wir uns gegenseitig unsere vergangene Woche erzählten. Wir erfuhren Gutes und weniger Gutes: Wer heiraten wird oder sich gerade trennt, wer gestorben ist oder wer ein Baby bekommt oder wem der Führerschein abgenommen wurde. Wir erzählten uns von unseren Missgeschicken und Glücksfällen und das schönste war: Wir spürten, dass es jemanden interessiert, wie es uns geht.
Outing: Ich bin süchtig
Corona hat mich in die Fänge einer neuen Sucht gestoßen. Sie zieht die Stricke enger und ich spüre, wie sie mir Zeit und Raum raubt, jeden Tag ein bisschen mehr. Ich brauche abends mittlerweile zwei Bildschirme. Einen Fernsehkrimi zu genießen, ohne einmal auf mein Handy geschaut zu haben, geht nicht mehr. Und es liegt nicht daran, dass die Filme heute schlechter sind. Ich heiße Ilona und ich bin Social Media süchtig. So, jetzt ist es raus.
In meinem alten Leben als Unternehmenskommunikatorin war ich aus beruflichen Gründen in den Social Media-Kanälen präsent – weil ich am Laufenden bleiben und mich vernetzen wollte, mehr nicht. Mein „Abundzureinschauenundhinundwiederwaspostendamitdiewissendassichdabin“ hat mich nicht vom wirklichen Leben abgelenkt. Social Media tut das jetzt, und wie. Ich hasse mich dafür und suhle mich gleichzeitig in meinem Selbstmitleid. (Es kommt noch eine gute Nachricht! Weiterlesen!)
„Dann schalt ab!“
„Dumme Urschel“, hätte meine Oma gesagt: „Dann schalt ab und geh raus in den Wald spielen.“ Danke für den Hinweis, Oma! Das ist so, wie wenn du einem/einer Alkoholiker*in sagst, dann trink nicht mehr, meistens sinnlos. Ich habe viel probiert: Ich nehme mir abends vor, ab morgen nicht mehr. Dann sitz ich in der Früh beim ersten Kaffee, höre die Nachrichten im Radio und zack: Wieder eineinhalb Stunden „so nebenbei“ auf Facebook, Twitter, Instagram und LinkedIn. Die Zeiten, in denen ich für die Uni lerne, in der Schreibküche neue Rezepte kreiere, Workshops konzipiere, meine Homepage aktualisiere, werden immer kürzer. Und die Pausen dazwischen, in denen ich in den sozialen Medien hänge, werden immer länger. Das ist kein gesundes Prokrastinieren mehr, das ist krank. So krank, dass ich darüber im Blog schreibe.
Geht es nur mir so?
Wem geht es auch so? Kämpfst du mit denselben Problemen? Ich spüre sogar jetzt, während des Blogschreibens den Drang, rüber zu Twitter, Facebook und Whatsapp zu linsen. Heute früh habe ich so bei mir gedacht, alle anderen, deren Posts ich dort lese, die müssen ja noch viel mehr Zeit dort verbringen. Oder täusche ich mich? Wie ist euer Leben, deren Beiträge ich für gut finde, kommentiere und teile? Was tut ihr sonst noch so in der restlichen halben Stunde vom Tag?
Was mir hilft: Wandern, Bergsteigen und Spazierengehen. Dabei lasse ich, wenn auch unter Schmerzen, das Handy meistens (!) daheim, um nicht in Versuchung zu geraten. Das erste aber, was ich tue, wenn ich heimkomme – eh klar, ich starte zum Handy. Anstatt dass ich für die nächste Prüfung lerne, mich auf den nächsten Kundentermin vorbereite oder ein gutes Buch lese.
Spontane Blog schreibende Erkenntnis:
Wenn ich mich etwas widme, das mich erfüllt, wirklich wichtig ist und das mir guttut, dann ist es leichter. Jetzt habe ich gerade 50 Minuten nicht drauf geschaut, weil ich hier geschrieben habe. Schreiben als Selbsthilfe. Den Frust loswerden. Das könnte funktionieren! Ich schließe mit einer Liste ab, das hilft immer, siehe Schreibrezept2 .
Liste: Was kann ich tun, damit ich meine Social Media-Sucht loswerde?
- Darüber reden.
- Darüber schreiben.
- Mir dessen bewusst sein und Listen schreiben, was ich dagegen tun könnte.
- Die Liste tatsächlich schreiben.
- Die Liste neben den Schreibtisch hängen.
- Lieb sein zu mir und mir etwas Gutes tun.
- Täglich eine Freundin anrufen und plaudern.
- Noch kleinere Schreibhäppchen planen.
- Mich nicht mit anderen vergleichen.
- Akzeptieren, dass ich gute und nicht so gute Tage habe.
- Nach den Morgenseiten noch zehn Minuten anhängen und meinen Tag planen.
- Sieben auch mal grade sein lassen und mein Nichtstun nicht verteufeln.
- Perfekt sein konnte ich noch nie und werde ich auch nie.
- Mit Punkt 13 endlich klar kommen.
- Diesen Artikel abspeichern, ein paar Tage liegen lassen und dann überarbeiten.
- Veröffentlichen und Newsletter versenden.
- Dankbar sein für das, was ist. Jeden Tag ein bisschen mehr.
Heute ist nix gscheit`s im Fernsehen, so habe ich mich entschlossen, wieder einmal in die „Schreib-Kuchl“ zu schauen. Gelesen habe ich die Neuigkeiten schon vor Tagen, aber, >Gut-Ding-braucht-Weile<, einen Kommentar schreiben ist halt noch mal was anderes. Sagt ja schon die Ilona, und die muss es wissen.
Jedenfalls, jetzt wo der Winter gerade vertrieben wird, der Frühling ankommt, die „Polen“ wieder einmal die Nase belästigen, jetzt wo man raus könnte, ist plötzlich Hochbetrieb in der Kuchl.
Da hoffe ich auf Punkt 13. Der scheint mir gemeinsam mit 14, das interessanteste Experiment.
Da können wir dann alle davon lernen, denn wir sind nicht weit davon entfernt.
Wir geben es nur nicht zu!
Ganz schön still geworden in der „Kuchl“ …. was ist los?
Motivationstraining gefällig?
Gibt`s bald was neues am Schneeberg?
Oder ist dort immer noch nix los?
Willi, die Hubschrauber schwirren um meinen Kopf. Feuerwehr und Bergrettung versuchen den Brand zu löschen. Und der Blogbeitrag ist fertig. kannst du schon lesen. 🙂