Aufregung in der Kommunikationsbranche, in der Lehre und in der Schreibküche. Chatbots produzieren Texte in Sekundenschnelle, teilweise in guter Qualität. Was bedeutet das für mich und mein Business? Dieser Beitrag ist ein Update. Im Februar 2023 hatte ich Chat-GPT noch als Schreckgespenst für die Schreibberatungsbranche bezeichnet. Seitdem hat sich einiges verändert.
Ein Chatbot ist ein Computerprogramm, das menschliche Unterhaltungen simuliert. Ich nenne sie eine Maschine. Sie wird fälschlicherweise als künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet. Die Computerlinguistin Emily Bender erklärt, dass nicht die Maschine intelligent sei, also denkt und lernt wie wir. Die Maschine funktioniert, weil viel Entwicklungsarbeit von Menschen geleistet wird, meist in Billiglohnländern. Eigentlich ist es nur Mathematik, so Bender. Die Wissenschaftlerin empfiehlt deswegen, statt künstlicher Intelligenz den Begriff „Matyh-Math“ zu verwenden, Mathe-Mathematik. Das entlarve so manche Lobhymne im aktuellen Chat-GPT-Hype.
Keine Arbeitslosigkeit in Sicht
Als eine, die vom Schreiben und von der Schreib-Lehre lebt, bin ich von der rasenden Entwicklungsgeschwindigkeit der Chatbots beeindruckt. Es verunsichert mich. Auch wenn es nur Mathematik ist: Die Maschine ist schneller als ich und kostet nichts. Macht sie mich überflüssig? Werde ich in drei Jahren noch Kund:innen bei ihrer Schreibentwicklung unterstützen? Oder werde ich am Telefon hören: „Die Maschine hat den Kundenbrief schon geschrieben.“ Oder: „Corporate Wording? Wozu? Die Maschine weiß, welche Worte zu unserer Marke passen und verwendet sie auch gleich immer.“ Oder: „Wir brauchen kein Schreibtraining mehr. Unsere Mitarbeiter:innen schreiben nicht mehr selbst, das macht die Maschine viel besser.“ Während ich mir diese Szenarien, die ich im Februar 2023 erdacht habe, durchlese, weiß ich heute, im September 2024: Nein. Es braucht uns Schreibberater:innen, Trainer:innen, Coaches weiter.
Text: schwupp da
Kompetenz: schwupp weg
Es wäre kurzsichtig für Unternehmen, wenn nur mehr Maschinen schreiben. Schreiben ist mehr als nur Textprodukiton. Im Team ginge viel Kompetenz verloren. Wenn wir aufhören, selbst zu schreiben, hören wir auf, unsere Denkprozesse zu trainieren. Wir verlernen unser verstehendes Lesen, das Einordnen-Können, das Lernen an sich. Unsere kreative Seite und unsere Entscheidungskompetenz werden verkümmern. Wir Menschen ordnen die Texte der Maschine ein und entscheiden. Noch immer fantasieren Chatbots und erzählen uns Schwachsinn, der so nicht stimmen kann. Doch nur wenn ich Schreib-, Denk- und Lesekompetenz besitze und diese regelmäßig übe, werde ich einschätzen können, ob der Chatbot-Text brauchbar ist. Regelmäßig üben bedeutet: schreiben, denken und lesen.
Heute nutze ich die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz. Ich verwende Übersetzungsprogramme, lasse meine Texte von Rechtschreibprogrammen prüfen und klicke in Online-Synonymwörterbücher. Es ist die gute Mischung, die mich in meiner Arbeit unterstützt. Ich frage die Maschine nach weiteren Ideen. Ich frage nach Aspekten, an die ich bei einem Thema noch nicht gedacht habe. Das hilft sehr. Es gibt Programme, die Texte tatsächlich verbessern. Mein absoluter Favorit ist die Wolf-Schneider-KI. Vielleicht weil ich selbst als junge Journalistin bei ihm lernen durfte, also beim echten Wolf Schneider.
Plaudertasche KI
Ich unterhalte mich mittlerweile sogar mit den Maschinen. Da ich alleine in meiner kleinen Schreibküche sitze und Sparingpartner:innen fehlen, frage ich einfach Programme. So konnte ich für einen aktuellen Artikel in einem Fachmagazin einen neuen Aspekt einbauen, den ich für wertvoll halte. Und manchmal bringt mich der Chatbot zum Lachen. Wenn er mir sinnlose Antworten gibt oder offenbar selbst nicht weiter weiß.
Mein Appell: Schreibt weiter!
An all jene, die schreiben und Schreibdenk-Methoden für ihren Job nutzen: Hört nicht auf, selbst zu schreiben! Weil viel verloren geht. Schreibprozess? Zeit für einen guten Text? Nachdenken? Sammeln? Sickern lassen? Oder einen Einfall haben und einfach drauflos schreiben? Überarbeiten und sich über neue Erkenntnisse und Ideen freuen? Stolz sein, dass der erste (beschissene) Entwurf sich nach einigen Schleifen als großartige finale Version präsentiert? Das könnte verloren gehen, weil ich drei Stichwörter in die Maschine eingebe und der Text ist da. Fertig. Ich will nicht in einer Welt leben, in der mir das Schreiben komplett abgenommen wird. Weil mir das Denken durch das Schreiben so wertvoll ist. Ich reflektiere und finde kreative neue Lösungen durch das Schreiben. Und ich schreibe gerne Texte, die gelesen werden.
Zeit sparen mit Chat-GPT: Ich zeige es dir
Bei notwendigen Texten, die wir immer wieder (neu) schreiben müssen, kann der Chatbot hilfreich sein. Wer die Textproduktion im Beruf mit Chat-GPT erleichtern will: Ich zeige dir, wie du den Chatbot sinnvoll einsetzen kannst. Welche Prompts dir helfen Zeit zu sparen. Diese gewonnene Zeit kannst du für das reflexive und nachdenkene Schreiben für dich nutzen, oder für den Austausch mit Kolleg:innen oder eine Tasse Kaffee.
Lesetipp
In der Neuen Zürcher Zeitung findest du ein Interview mit der Computerlinguistin Emily Bender zum Thema Chat-GPT, das Ruth Fulterer am 25.2. 2023 online veröffentlicht hat.
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