Schreibrezept 3

Mach den Küchenzuruf!

Der Küchenzuruf ist eine tolle Methode, sich beim Schreiben auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er fasst deinen Text rund um die Kernbotschaft zusammen und bringt ihn auf den Punkt. Er ist Orientierungs- und Entscheidungshilfe für Autor*in und Leser*in.

Alter Journalisten-Trick

Geprägt wurde der Küchenzuruf von Henri Nannen (1913–1996), Gründer und Verleger des Magazins STERN. Er wählte Artikel für die nächste Ausgabe nach deren Küchenzurufen aus. Konnten ihn diese nicht überzeugen, kamen die Geschichten nicht ins Blatt. Das unter Journalist*innen legendäre Grete-Otto-Küchenzuruf-Beispiel von Nannen ist mir mittlerweile zu antiquiert. Ich habe es angepasst.

Küchenzuruf-Beispiel

Stelle dir folgende Situation vor: Julia sitzt im Wohnzimmer und liest online in einem Nachrichtenportal. Ihr Partner Sebastian kocht in der Küche. Nach der Lektüre eines Artikels ruft sie ihm zu: „Krass, Sebastian, die in Brüssel spinnen voll! Jetzt auf einmal soll Atomenergie umweltfreundlich sein und fördern wollen sie das auch noch!“

Denke an Twitter!

Ein moderner Küchenzuruf ist wie ein Retweet auf der Social-Media-Plattform Twitter. Also eine Nachricht, in der du auf einen Text aufmerksam machst, den du selbst online gelesen hast. Deine Botschaft an dein Online-Netzwerk: „Das müsst ihr auch lesen!“

Probiere es aus. Versuche zu deinen Texten einen Küchenzuruf oder Tweet zu formulieren, der deine Kernbotschaft in zwei bis drei Sätzen auf den Punkt bringt. Stelle dir dazu folgende Fragen:

  1. Ergibt mein Thema überhaupt einen Küchenzuruf?
  2. Wenn nicht – ist es dann ein Thema für diesen Text?
    1. Wie kann ich es zu einem Thema machen?
    2. Biete ich meinen Leser*innen einen Nutzen?
  3. Wenn mein Thema viele interessante Aspekte enthält:
    1. Welchen würde ich in die Küche rufen? Genau damit fange ich an.

Der Küchenzuruf funktioniert immer

Egal ob PR-Text, Blogbeitrag, interne Mitteilung ans Team oder Medienmitteilung, jeder Text sollte einen Küchenzuruf haben. Er vermittelt die Kernbotschaft. Er besteht aus zwei bis drei Sätzen und richtet sich direkt an deine Zielgruppe. Findest du beim Überarbeiten in deinem Text etwas, das für den Küchenzuruf nicht relevant ist, kannst du es vermutlich streichen.

Muss ich den Text lesen?

Einen Küchenzuruf zu finden, hilft, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und die Kernbotschaft auf den Punkt zu bringen. Er sollte am Textanfang stehen, das Interesse der Leser*innen wecken und die Frage beantworten: „Muss ich diesen Text lesen?“

Benutze den Küchenzuruf:

  1. Bei der Recherche, damit du dich nicht verzettelst.
  2. Beim Strukturieren und Eingrenzen des Themas, damit du nicht ausschweifst.
  3. Beim Schreiben, für den roten Faden.
  4. Beim Finden von Titeln und Zwischentiteln.
  5. Beim Überarbeiten: Alle Inhalte sollten einen direkten Bezug zum Küchenzuruf haben. Wenn nicht, dann ist es vermutlich nicht relevant und kann weg.

Mein Küchenzuruf für diesen Text ist übrigens: „Claudia, hast du schon mal vom Küchenzuruf gehört? Ich erkläre ihn dir und zeige dir, wie du ihn anwenden kannst, um deine Texte auf den Punkt zu bringen.“