Gestern Abend erzählte mir der Bestsellerautor John Irving über sein Schreiben. Zwar nur über den Bildschirm in einem Webinar, aber was soll ich sagen: Es war großartig, von einem 80-jährigen, der seit 65 Jahren schreibt, ein paar seiner Erfahrungen und Routinen zu erfahren. Ganz ehrlich, hätte ich ihn live getroffen, wäre ich wohl viel zu nervös für ein Gespräch gewesen. Was würdet ihr den Autor von „Garp und wie er die Welt sah“ oder „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ fragen? Ehrlich jetzt.
Wie schreibt Irving?
Ich hätte ihn (natürlich) zu Prokrastination befragt. Ob er auch unter Aufschieberitis leide und wie er damit umgehe. Ich bin sicher, dass er nicht immer in der Inspiration schwebend täglich tausende Wörter druckreif runtertippt. Nun, darüber, dass er nicht schreibt, hat er zwar nicht gesprochen, aber dafür über das Schreiben mit der Hand, Langsamkeit und Zeit.
Mit der Hand
John Irving schreibt seine ersten Entwürfe noch immer mit der Hand und erklärt es damit, dass es ihm die für ihn nötige Langsamkeit gebe. Würde er tippen, so schriebe er zu schnell, dann würde er viel übersehen. Er geht soweit, dass er meint: Um besser zu werden, würde er versuchen immer noch langsamer zu schreiben – und so nebenbei auch schöner, damit seine Assistent*innen es abtippen können. Bestsellerautorin müsste ich sein, dann würde jemand anderer meine Entwürfe in den Computer klopfen. Davon träumte ich heute schon in meinen Morgenseiten.
Disziplin und harte Arbeit
Irving braucht 5 bis 7 Jahre für einen Roman. Zwei Jahre verbringt er allein oft nur mit Recherche und Notizen. Er meinte: „Würde ich nicht mit der Hand schreiben, wären es vielleicht zwei Jahre weniger. Oder vielleicht auch nicht.“ Was er damit meint? Durch das zu schnelle Schreiben des ersten Entwurfs, dauere eben dann die Überarbeitungsphase länger. Schreiben, überarbeiten und schreiben und überarbeiten. „Das ist das, was ich die ganze Zeit tue.“ Schreiben erfordere Disziplin, so Irving, viel Zeit und es sei harte Arbeit, „damit musst du klar kommen.“
Slow down!
Die meisten Schreiber*innen, die ich kenne, sind sich einig: Wer gute Texte liest, lernt dabei auch viel für sein Schreiben. Das gilt übrigens auch für alle, die im Job schreiben, nicht nur für unsere Kurzgeschichten, Romane und Gedichte. Irving sieht das ganz genauso. Er gab uns gestern online dazu seinen wichtigsten Tipp zum Schluss mit. Auf seinen neuen Roman „The last chairlift“ (der letzte Sessellift) hinweisend, wünschte er seinen Leser*innen, dass sie ihn nicht runterschlingen mögen. Ich fühlte mich direkt angesprochen. Er blickte direkt in die Kamera, er sah mich an. Mit einfühlsamen Blick durch seine Brille zum Abschied riet er: „Take your time. Read slowly and don’t be in a hurry.“ Nimm dir Zeit, lies langsam. Wer gerne Irvig liest, weiß, dass es ein schwieriges Unterfangen werden wird, denn er ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Aber einen Versuch ist es jedenfalls wert. Sein neuester Roman „The last chairlift“ ist vor kurzem in den USA erschienen, hat über 900 Seiten und erzählt über Adam Brewster und seine Familie. Hinweis: Dieser Blogbeitrag ist keine bezahlte Werbung zum Buch.
Weitere Einsichten Irvings werde ich in einem weiteren Blog sammeln und mit euch teilen.
Keep on writing – and reading!
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