Es wurde schon alles geschrieben über Corona. Über sämtliche Gefühle, über die Enge in der Brust, alle Ängste wurden benannt und haben eine Mauer zwischen mir und meinem Schreiben gebaut. Was soll ich da auch noch meinen Senf dazu geben?
Rettung Claudia
Heute hat mich Claudia gerettet, am Telefon, wir haben fast eine Stunde geredet – über Corona, eh klar. Auch über unser Schreiben und über ihr Pferd und dass ein Glas Wein abends nicht verkehrt sein kann und dass alles gut wird, irgendwie. Claudia ist eine geniale Werbetexterin, Schreibtrainerin, Contentprofi und ich kann mit ihr so wunderbar laut denken über Ideen und Konzepte. Sie ist mein Sonnenschein, wenn ich Trübsal blase. Was soll ich sagen? Ich habe mich nach einer Woche wieder hingesetzt und begonnen zu tippen, es ist nicht alles geschrieben. Danke, Claudia.
Walt Disney hilft
Ich bin seit meinem Geburtstag voriger Woche müde und versuche jeden Tag mich neu zu motivieren, vergeblich, das zufriedene Gemüt hält immer nur zwei bis drei Stunden an, dann verfalle ich in Lethargie, bin gereizt und angespannt. Abends verscheuche ich die dunklen Gedanken mit Walt Disney. Ich hatte dazwischen einen Mittelalter-Wälzer von Ken Follett versucht. Nach der ersten Vergewaltigungsszene auf Seite 150 habe ich das Buch weggelegt – keine Abendlektüre für mich. Da sind Donald Duck und Micky Maus wesentlich besser geeignet, mich beim sanften Einschlafen zu begleiten.
In der Nacht kommen die Träume. Meistens bin ich auf der Flucht oder in großer Angst um liebe Menschen, die zum Teil gar nicht mehr leben. Es umhüllt mich eine Traurigkeit, die ich so schon lange nicht mehr hatte. Dazu kommt das Aufwachen zur Wolfsstunde um drei Uhr früh, Hitze, das Gedankenkarussel in meinem Kopf. Danke, das kann ich gerade gar nicht brauchen.
Schlechte Nachrichten
Die Glocken läuten in der Ferne und erinnern mich: Heute habe ich von der ersten mir persönlich bekannten Person, die während der Corona-Krise gestorben ist, erfahren. Hanni Grosz, eine Gastronomin im Ruhestand, tot. Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen, wir waren nur lose bekannt gewesen in den vergangenen Jahren. Die Nachricht über ihren Tod hat sich rasch verbreitet, trotz Abstand und ohne Stammtisch, so schnell wie dieses verdammte Virus. Die Glocken läuten jetzt für sie, denke ich mir.
Hanni war lebenslustig gewesen, hat viel gearbeitet und genial gekocht. Ich habe den Geschmack ihres Martinigansls, das Krachen der knusprigen Haut und das feine, samtige Weinkraut auf der Zunge und in der Nase. Ich hatte so lange nicht an sie gedacht, jetzt ist sie nicht mehr. Verdammtes Virus!
Vor 30 Jahren: das gesellschaftliche Ereignis des Jahres
Sie erinnert mich an eine Gastwirte-Gemeinschaft vor 30 Jahren, als hier im oberen Schwarzatal die Wirtinnen und Wirten gemeinsam gefeiert haben – gut, damals waren sie auch alle jünger. Keine Ahnung, ob sie sich zu einem richtigen Verein organisiert hatten. Ich weiß nur, dass alle mitmachten, die Chefinnen, die Köche und das Servierpersonal und auch viele Stammgäste haben mitgeholfen und das gesellschaftliche Ereignis des Jahres auf die Beine gestellt. Sie sind zumindest der älteren Generation in Reichenau und Umgebung immer noch ein Begriff: „Das junge Gastgewerbe“. Ihr Ball im Preiner Stadl, das bald aus allen Nähten geplatzt war und dann ins Hotel Marienhof übersiedelte, ist legendär. Bis nach Wien wurden Eintrittskarten gehandelt, sie waren immer sofort ausverkauft, ähnlich wie heute die Tickets für die Festspiele im Sommer. Am Eingang spielten sich dramatische Szenen ab, wie bei einem Rolling-Stones-Konzert, alle wollten dabei sein. Na ja, jetzt übertreibe ich etwas, zugegeben.
Austern und Boogie
Wenn Wirte feiern: Es gab Kaviar und Austern mit Wodka, die Mojo-Blues-Band spielte mit Dana Gillespie im Keller, das Joachim-Palden-Trio war da, und meine Eltern tanzten Boogie bis zum Umfallen zwischen ihren Diensten bei einer der Champagner- oder Cocktailbars. Sie räumten alle noch alles weg in der Früh, um mittags dann im damaligen Alpenhof am Kreuzberg, jetzt Looshaus, oder im Knusperhäuschen meiner Mutter in Hirschwang, vor Erschöpfung und Rausch einschlafend mit dem Kopf in das Suppenteller zu kippen.
Keinen Chance, blödes Virus
Damals gab es kein Corona. Diese Erinnerungen bleiben, da kannst du Scheiß-Virus machen, was du willst. Die kannst du uns nicht wegnehmen. Und schon bald werden wir uns die Geschichten wieder live erzählen und an die Wirtinnen und Wirte denken, die nicht mehr bei uns sind: „Weißt du noch, damals …?“
Liebe Illi!
Alles was du zu Papier bringst ist so schön geschrieben und beruhigend zu lesen.
Morgen jährt sich wieder der Sterbetag von Sabina, das ist für mich wieder so ein Tag der nicht vergessen werden kann.
Noch mal danke für den von dir geschriebenen Nachruf der in der NÖN veröffentlicht wurde.
Wünsch dir einen schönen Tag
Und bis bald
Vitsch
Lieber Vitsch, danke dir! Und ja, Sabina, den 8. April vergesse ich auch nie – und Sabina sowieso auch nicht. Ich denke oft an sie. Alles Gute und hoffentlich auf sehr bald am Berg!