„Was wünscht ihr euch für den nächsten Workshop?“ Das habe ich meine Schreib-Lehrlinge neulich gefragt. Einige wussten sofort, was sie sich wünschen: „Mehr schreiben.“ Andere: „Weniger schreiben.“ Ein Lehrling meinte: „Wieder eine Liste schreiben mit Dingen, die uns guttun.“ Keine Überraschungen soweit für mich als Lernbegleiterin. Überrascht hat mich nur eines: Nicht alle konnten sich etwas wünschen.
Workshop „Wünsch dir was“
Drei Auszubildende blieben still, es fiel ihnen offenbar partout nichts ein, was sie sich wünschen könnten oder konnten es nicht artikulieren. Mir kam gar vor, als ob diese Frage sie überforderte. Bislang waren alle mit Begeisterung dabei: Shitty first drafts, Schritt-für-Schritt-Methoden und ganz viel Raum für Schreibdenken. Wir fragen uns schreibend, wie und warum schreibe ich wann und wo am besten und am liebsten? Wirkt. Immer. Auch bei Jugendlichen, die noch ganz am Anfang ihrer Berufskarrieren und ihrer Schreibkompetenz stehen. Wir lachen, sind berührt und staunen oft über die Schreiberlebnisse und die Texte, die entstehen. Die Texte entwickeln sich, sie schreiben und lesen mutiger. An den Workshop-Inhalten kann es also nicht liegen, denk ich mir. Wieso sind die drei wunschlos?
Wunschlos? Glücklich?
Viele Lehrlinge, denen ich begegne, wollen nur eines: Raus aus der Schule und rein in den Beruf. Sie wollen etwas tun und ihr eigenes Geld verdienen. Die meisten haben genug vom Schreiben. Weil es anstrengend sein kann, ja. Und weil es sie dazu zwingt, nachzudenken – auch und immer wieder über sich selbst. So zumindest meine Hypothese. Je früher ich diese Schreibdenk-Technik ich lerne, desto besser. Es unterstützt dabei, Spannungen abzubauen, Gedankenkarusselle im Gehirn zu verlangsamen, sich zu konzentrieren und sich besser zu fühlen. Im Lehrgang kombinieren wir es mit dem beruflichen Schreiben. Und so „nebenbei“ erarbeiten sich die Lerhlinge Strategien für bessere Texte im Beruf. Sie könnten doch auch das Wünschen üben, dachte ich mir und habe für den nächsten Workshop die Journal-Schreibübung „Ich wünsche mir“ ausgetüftelt.
Idee „Ich wünsche mir“
Zu wissen, was wir wollen, klingt für viele so einfach. Wir glauben, zu wissen, was wir wollen. Aber können wir es auch benennen? Die Wünsche für uns selbst und andere formulieren? Einen Herzenswunsch aussprechen? Die Journal-Schreibübung „Ich wünsche mir“ ist eine gute Möglichkeit auch für introvertierte Personen, die sich nicht gerne in einer Gruppe exponieren, sich ausgiebig mit eigenen Wünschen auseinanderzusetzen.
Journal-Schreibübungen verwende ich immer unter der Prämisse, dass wir nur für uns selbst schreiben, mit dem Wissen: Keine:r wird je lesen, was ich hier notiere. Außer ich möchte das. Einfach drauflosschreiben, nicht viel nachdenken, pen to paper, also Stift aufs Papier oder ein leeres Dokument am Bildschirm öffnen. Oder auch am Handy in ein Notizen-App tippen.
Anleitung Schreibübung „Ich wünsche mir“
Such dir einen ruhigen Platz, nimm dein Schreibmaterial zur Hand. Und stell dir einen Timer für fünf oder sieben Minuten. Mit den drei Wörtern Ich wünsche mir beginnen und dann ohne Nachdenken weiterschreiben oder tippen. Schau was auftaucht. Es gibt kein Richtig und Falsch. Nach der festgelegten Schreibzeit aufhören. Deinen Text durchlesen. Interessantes, Spannendes, Überraschendes markieren. Der letzte Teil der Übung: Ernten, um dein Schreibdenken zu verankern. Nimm dir nochmal ein bis zwei Minuten Zeit und verwende einen der folgenden Satzanfänge:
Wenn ich das lese, dann fühle ich …
Wenn ich das lese, dann merke ich …
Wenn ich das lesen, dann fällt mir auf …
Weitere Tipps: Datiere und signiere diese Schreibdenk-Übung. Gestalte deinen Erntesatz mit Farben.
Übrigens: Wünsche können sich ändern – das zu beobachten macht mir selbst große Freude, deswegen wiederhole ich diese Übung regelmäßig. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Noch ein Übrigens: Einfach drauflos zu schreiben ist einfach und gleichzeitig schwierig. Beides ist völlig normal. Meine Devise: Ausprobieren und üben. Wie zum Beispiel mit dem Schreibrezept 1/Morgenseiten.
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