Aufregung in der Kommunikationsbranche, in der Lehre und in meiner Schreibblase. Chat-GPT, ein Chatbot, produziert Texte in Sekundenschnelle, teilweise in guter Qualität. Und was passiert dann mit Schreibenden wie mir?
Ein Chatbot ist ein Computerprogramm, das menschliche Unterhaltungen simuliert. Ich nenne sie eine Maschine. Sie wird fälschlicherweise als künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet. Die Computerlinguistin Emily Bender erklärt, dass nicht die Maschine intelligent sei, also denkt und lernt wie wir. Die Maschine funktioniert, weil viel Entwicklungsarbeit von Menschen geleistet wird, meist in Billiglohnländern. Eigentlich ist es nur Mathematik, so Bender. Die Wissenschaftlerin empfiehlt deswegen, statt künstlicher Intelligenz den Begriff „Matyh-Math“ zu verwenden, Mathe-Mathematik. Das entlarve so manche Lobhymne im aktuellen Chat-GPT-Hype.
Bin ich bald arbeitslos?
Als eine, die vom Schreiben und von der Schreib-Lehre lebt, bin ich durch diese Text und Antworten produzierende Maschine verunsichert. Auch wenn es nur Mathematik ist. Sie ist schneller und kostet nichts. Macht sie mich überflüssig? Werde ich in drei Jahren noch Kund:innen bei ihrer Schreibentwicklung unterstützen? Oder werde ich am Telefon hören: „Die Maschine hat den Kundenbrief schon geschrieben.“ Oder: „Corporate Wording? Wozu? Die Maschine weiß, welche Worte zu unserer Marke passen und verwendet sie auch gleich immer.“ Oder: „Wir brauchen kein Schreibtraining mehr. Unsere Mitarbeiter:innen schreiben nicht mehr selbst, das macht die Maschine viel besser.“ Während ich mir diese Szenarien erschreibe, spüre ich: Nein, das wird so nicht passieren.
Text: schwupp da
Kompetenz: schwupp weg
Es wäre kurzsichtig und nicht wirtschaftlich für Unternehmen, denn im Team ginge viel Kompetenz verloren. Wenn wir aufhören, selbst zu schreiben, hören wir auf die Denkprozesse zu trainieren. Wir verlernen unser verstehendes Lesen, das Einordnen-Können, das Lernen an sich. Unsere kreative Seite und unsere Entscheidungskompetenz werden verkümmern. Wollen wir die Verantwortung für Entscheidungen Maschinen überlassen? In meiner Firma nur mehr die Maschine schreiben lassen? Ich nicht. Natürlich lehne ich Technik nicht generell ab, ich verwende Übersetzungsprogramme, lasse meine Texte von Rechtschreibprogrammen prüfen und nutze Synonymwörterbücher. Aber diesen Blogbeitrag schreiben lassen? Nein.
Ohne Schreibprozess wird es langweilig
An all jene, die privat oder literarisch schreiben und Schreibdenk-Methoden fürs Geschäft nutzen: Leute, unsere von solchen so genannten künstlichen Intelligenzen dominierte Welt wird langweilig und frustrierend werden. Weil viel verloren geht. Schreibprozess? Zeit für einen guten Text? Nachdenken? Sammeln? Sickern lassen? Oder einen Einfall haben und einfach drauflos schreiben? Überarbeiten und sich über neue Erkenntnisse und Ideen freuen? Stolz sein, dass der erste (beschissene) Entwurf sich nach einigen Schleifen als großartige finale Version präsentiert? Das könnte verloren gehen, weil ich gebe drei Stichwörter in die Maschine ein und der Text ist da. Fertig. Ich zumindest will nicht in so einer Welt leben, weil ich den Schreibprozess liebe. Und ich will ohne Schreibdenken nicht sein.
Lesetipp
Wenn du mehr über die Maschine wissen willst: In der Neuen Zürcher Zeitung gibt es ein Interview mit der Computerlinguistin Emily Bender zum Thema Chat-GPT, das Ruth Fulterer am 25.2. 2023 online veröffentlicht hat.
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