Es begann im April 2019, nach 15 Jahren war ich endlich bereit für Schatten auf meiner Terrasse, die nach Südwesten schauend ab März jeden Jahres bei Sonnenschein wüstenähnliche Verhältnisse annimmt. Das Thermometer ist schon ab 11 Uhr vormittags komplett am Anschlag, 60 Grad und mehr, und somit kein Ort, wo man Frühling bis Herbst untertags sein wollte. Der einzige Vorteil der schreienden Hitze: Die Wäsche ist innerhalb einer Stunde staubtrocken. Das reichte mir nicht, ich wollte in der frischen Luft lesen, grillen. Eine Markise musste her.
Ich recherchierte im Internet, das zweite Angebot sagte mir zu. Ein freundlicher, sichtlich kompetenter Berater kam schon am nächsten Tag vorbei und entwickelte mit mir die perfekte Schattenlösung inklusive einer coolen Farbe für den Stoff, der uns schon bald vor den Sonnenstrahlen schützen sollte – kühles Blaumannblau. Nach Vertragsunterzeichnung brauchte ich noch vier Wochen Geduld, dann konnte montiert werden, dachte ich und wohl auch der nette Kundenberater. Es sollte anders kommen.
Ich schreibe diese Zeilen am 21. Juni 2019. Das Jahr schreibe ich absichtlich dazu, wer weiß … Noch ist kein Schatten weit und breit, wir haben die erste Hitzewelle in Wien mit bis zu 36 Grad im Schatten, was auf meiner Terrasse vermutlich 80 Grad bedeutet. Ich kann es nicht messen, solche Thermometer gibt es nur für Wetterforscherinnen. Nicht, dass die Markise nicht schon da wäre, sie liegt fertig zusammengebaut draußen, die wunderschöne Bespannung im Wohnzimmer. Aber das reicht mir noch nicht, wie ihr euch denken könnt.
Regen und das Loch in der Mauer
Der erste Montagetermin war am 20. Mai. Es regnete in Strömen. Gut, dafür kann niemand etwas. Die Woche darauf der zweite Versuch, sie haben jetzt Hochsaison, früher ging es nicht. 27. Mai. Zwei kompetent wirkende Herren – Vater und Sohn – kamen fast pünktlich, der Verkehr. Sympathisch und hochmotiviert. Ein kleines Problem, das aber bald gelöst wurde: Die zwei Kompontenten der 6,5 Meter langen Markise mussten nochmal zerlegt werden, sie passten nicht in den Aufzug. Das dauerte fast eine Stunde. Sie bauten sie auf der Terrasse wieder zusammen, nahmen Maß und dann setzte einer der beiden den Bohrer an, ich glaube, es war der Sohn. Vielleicht war es sein erstes Bohrloch. Jetzt rückblickend betrachtet …
Ich freute mich, lesend auf meiner Couch, heute Nachmittag könnte ich Schatten und somit erstmals meine Terrasse bei Sonnenschein genießen. Da hörte ich einen dumpfen Knall, irgendetwas ist hinunter gefallen. Nichts Böses ahnend hielt ich Nachschau. Ein Loch in der Wand oberhalb meines Schreibtisches. Sie hatten durch den Beton gebohrt und ein Stück Mauer ist ausgebrochen und samt der Tapete auf den Holzboden geknallt, Semmel-groß. Okay, das kann wohl passieren, dachte ich. Als ich die Schreck geweiteten Augen der beiden Männer sah, stieg eine böse Ahnung in mir hoch.
„So etwas haben wir noch nie erlebt. Die Mauer ist viel zu dünn. Diese neuen Häuser, also, dass die das überhaupt so bauen konnten. Da können wir keine Markise montieren. Die ist viel zu schwer, wir brauchen eine andere Lösung.“ Sie telefonierten mit dem Chef. Ich war enttäuscht, aber sich ärgern hätte das Loch in der Wand und den Dreck in der Wohnung nicht weggezaubert. Sie müssten eine Gegenplatte anfertigen, damit das hält. Sie könnten leider nicht weiter machen. Leuchtete mir ein. Ob mich solche Metallplatten im Wohnzimmer und in der Küche störten? Nein, ich wollte meine Markise, es war heiß. Okay, sie kommen wieder in der nächsten Woche, sie werden die Montage einschieben, nach ihrem normalen Arbeitstag, abends, das ist ja gleich erledigt. Gut, dachte ich. So machen wir es und freute mich auf nächste Woche.
Warten und warten
Nächste Woche. Der Chef ruft mich an, der nächste Termin, den sie schaffen, ist der 4. Juni, früher ginge es nicht. Ja, was soll ich tun? Ich verschob Termine und wartete, 11 Uhr war ausgemacht. 5 nach 11 ruft der Chef an, es tue ihm sehr leid, der Monteur hätte sich eine Zerrung zugezogen, er sei am Weg ins Spital. Großes Sorry. Ich mache meinem Ärger Luft am Telefon, wissend, dass sie es wohl nicht absichtlich machen. Neuer Termin. Er bietet mir Samstag, 15. Juni an. Ich muss einen lang geplanten Badetag bei Freunden in deren Gartenhaus mit Pool absagen, die Markise geht vor.
Ich habe eine legendäre Pooleinweihungsfeier versäumt, daheim auf die Monteure wartend. 11 Uhr war vereinbart. Um viertel 12 ein Anruf von der Firma. Als ich die Nummer am Display sah wusste ich: wieder nichts. Der Chef der Markisenfirma am Telefon, zerknirscht. Die Frau des Monteurs sei im Spital, werde operiert. Wieder keine Markise. Der Chef erzählt mir, dass er jetzt nichts tun könne, er sei im Waldviertel. Ich denke mir, ich wäre jetzt auch gern im Waldviertel oder im Pool bei Michi und Franz und nicht in der abgedunkelten, stickigen Wohnung, allein an diesem heißen Juni-Samstag. Ich werde zornig, aber was nützt es? Niente. Er wird sich am Montag melden mit einem neuen Termin.
Zwei Profis am Werk
Freitag. 21. Juni, Sonnenwende. Strahlendes Wetter, Montagetermin halb 8 in der Früh. Neue Uhrzeit, ein gutes Omen, dachte ich, die meinen es ernst und kommen gleich am Morgen, da ist es auch noch nicht heiß bei mir auf der Terrasse, die Sonne kommt so gegen 10 Uhr. Perfektes Wetter, zwei neue Monteure, gut gelaunt. Sie schütteln den Kopf, als sie das Loch in der Wand sehen, aber was soll’s. „Wir machen das schon. In zwei Stunden sind wir fertig, inklusive des elektrischen Anschlusses.“ Ich mache uns allen Kaffee, schreibe an meinem Blog und bin zufrieden. Ein gutes Ende naht. Ich mag die beiden. Ich beobachte sie aus dem Augenwinkel, sie sind ein eingespieltes Team, es geht voran. Ich höre den Bohrer im Beton. Kurze Anweisungen, sie werken routiniert, das merke ich. Nach einer viertel Stunde: „Wo ist der dritte Träger?“
Vorahnung
Meine Vorahnung ist wieder da. Ich spüre sofort, es wird heute wieder keine Markise an der Wand geben. Heute reagiere ich mit einem Lachen. „Jaja, ein Träger fehlt.“ Wir suchen gemeinsam. Diese erste Montagepartie, die übrigens nicht mehr bei der Firma beschäftigt ist, Zitat vom Chef: „Wenn ich die nochmal sehe, gehe ich in‘ Häfen.“, haben einen der drei Träger mitgenommen damals, um diese Gegenplatten anzpassen. Übrigens, diese Gegenplatten braucht es gar nicht, so meine nun echten Profis, die jetzt hier bei mir die Markise gerne montiert hätten. Aber das ist nur ein Detail am Rande. Kurzer Hoffnungsschimmer beim Telefonat mit dem Chef, er hätte doch noch einen Träger im Geschäft, leider nur in weiß. Ich schreie dem Monteur über die Schulter in sein Handy: „Egal, bitte nehmt den weißen. Hauptsache, das Ding hängt heute noch und spendet Schatten.“ Die anderen Träger, an denen die Markise montiert wird, sind antrazit. „Interessiert mich nicht. Wenn es jemanden stört, male ich sie dann mit Nagellack an oder schau einfach nicht hin. Bitte nehmt diesen weißen Träger!“ Der Hoffnungsschimmer schwindet, als der Chef nach ein paar Minuten nochmal anruft. Die Monteure und ich trinken derweilen Kaffee. Leider, der weiße Träger passe doch nicht, ein anderes Modell. Er habe Mitbewerber gefragt, ob sie aushelfen können, vergeblich, Hochsaison. Er müsse das Ding bestellen – in Graz, die Lieferung dauere bis Mittwoch nächste Woche. Sobald er das Teil habe, melde er sich wieder mit einem Termin. Die beiden Profis packen zusammen und gehen.
Deprimiert mit Hoffnung
Ich kehre zusammen und wische den Staub weg. Setze mich an den Computer und schreibe. Mehr kann ich nicht tun. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf. Fein wäre es allerdings, wenn die Markise noch VOR dem Sommer montiert wird.
Update: 1. Juli 2019
Montag, 1. Juli. 8 Uhr früh, das Handy läutet, der Markisenfirmen-Chef ist dran. Seine Montage-Crew hätte heute Zeit, mittags, ab 12 Uhr. Ob ich daheim wäre. Ich bin verärgert, am Freitag hatte ich ihn wieder ein Mal angerufen, der hätte sich nicht von selbst gemeldet. Am Mittwoch hätte ja dieser Träger aus Graz kommen sollen. Ich habe allerdings mittwochs nichts von ihm gehört. Und freitags hatte ich dann eben nachgefragt, was jetzt los sei. Er habe soviel zu tun, er sei alleine im Geschäft und Hochsaison und „alles ein Wahnsinn.“ Da platzt mir der Kragen: „Sie sollten sich vielleicht vorher um die bestehende Kundschaft kümmern, bevor Sie neue Aufträge annehmen, Himmelherrgott. Sie melden sich nicht, obwohl sie es versprochen hatten und ich muss Ihnen immer hinterherlaufen. Was würden Sie an meiner Stelle tun?“ Ich war echt sauer.
Jedenfalls, an dem Montag habe ich wieder alles liegen und stehen gelassen, Termine abgesagt, unter anderem einen lang geplanten in der KFZ-Reparaturwerkstatt meines Vertrauens. Ich habe ja noch andere Baustellen in meinem Leben. Ich habe mich ins Auto gesetzt und bin eine Stunde über die Autobahn gebrettert, damit ich rechtzeitig daheim bin.
Die Monteure waren pünktlich, gut gelaunt und voller Tatendrang, wieder, mein Dreamteam. Habe ich schon erwähnt, dass dieser 1. Juli zu einem der heißesten Tage des Jahres gezählt wurde? Die beiden Männer ließen sich von der Gluthitze auf meinem Balkon nicht abhalten und erledigten ihre Arbeit, schraubten den Träger an die Wand, montierten darauf das Markisengestell, bespannten es, stellten die richtige Neigung ein und schlossen den Strom an. Nach eineinhalb Stunden hatte ich meine Fernbedienung zum ersten Mal in der Hand und ließ mein neues Hitzeabwehrsystem seelig immer wieder ein- und ausfahren.
Nachtrag: Das Loch in der Wand ist übrigens noch da, ich habe es innen jetzt mit einem Gaffaband abgeklebt, damit dort keine ungebetenen Gäste einziehen. Der Chef der Firma sich nicht bei mir gemeldet, Rechnung wurde noch keine gestellt. Ich warte jetzt auf seinen Anruf – im Schatten sitzend.
Als einer, dessen Urlaubsziele immer nördlich des 48ten Breitengrades liegen, kann ich die Sehnsucht nach Schatten, nachvollziehen! Aber, positiv gesehen, war das eine 40tägige Erlebnisreise, zu einem Fixpreis, die als „Tagesausflug“, zugegeben nicht gerade billig, gebucht war! Also!
Am Ende wird alles gut
Ich gebe die Hoffnung nicht auf! 🙂